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Altes Eisen oder güldenes Alter?

Innovationskraft von Volkswirtschaften in Zeiten alternder Belegschaften

Die Belegschaften vieler Industrieländer altern immer schneller. Dieser Trend fördert Bedenken, dass die Innovationskraft von Volkswirtschaften zukünftig stark zurückgehen könnte. Katharina Frosch hat sich zu dieser Frage die bestehende Fachliteratur sowie frühere Studien zur Wechselwirkung zwischen Belegschaftsalter und Innovation angesehen und schlussfolgert: Um die Auswirkungen des Alters auf Innovationen verlässlich zu beurteilen, müssen sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler eine Reihe von Fallstricken vermeiden.
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Scrapheap or Indian Summer
Copyright: freshide - fotolia.com

Die Belegschaften vieler Industrieländer altern immer schneller. Dieser Trend fördert Bedenken, dass die Innovationskraft von Volkswirtschaften zukünftig stark zurückgehen könnte. Katharina Frosch hat sich zu dieser Frage die bestehende Fachliteratur sowie frühere Studien zur Wechselwirkung zwischen Belegschaftsalter und Innovation angesehen und schlussfolgert: Um die Auswirkungen des Alters auf Innovationen verlässlich zu beurteilen, müssen sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler eine Reihe von Fallstricken vermeiden. Die große Mehrzahl der früheren Studien zu Alter und Innovationsleistungen legt nahe, dass die Fähigkeit, wirtschaftlich relevante, neuartige Leistungen – also Innovationen – zu erbringen, in Abhängigkeit vom Alter einen umgekehrt-U-förmigen Kurvenverlauf zeigt: die meisten Erfindungen stammen demnach von Personen im Alter zwischen 35 und 50 Jahre.


 


Jüngere und Ältere sind innovativ – auf ihre jeweils eigene Art


Der Literatur zufolge verflacht in wissensintensiven Bereichen im höheren Alter das kreative Potenzial. In diesen Bereichen profitieren junge Erfinder von ihrem jüngst an der Universität erworbenen Fachwissen auf neuestem Stand, während die Kenntnisse älterer Erfinder aufgrund technologischer Entwicklungen unter Umständen überflüssig werden. Im Gegensatz dazu sind einige Branchen durch lange Innovationszyklen gekennzeichnet. So können etwa in der chemischen und pharmazeutischen Industrie oder im Maschinenbau jüngere Erfinder  mit ihrem aktuellen Kenntnisstand punkten, allerdings haben in diesen Branchen auch ältere Erfinder eine Chance Erfolge vorzuweisen, die auf ihrer Erfahrung beruhen.


Eine grundlegende Frage bleibt aber: In welchem Maß hängt die Innovationsleistung von Arbeitskräften ursächlich vom Alter ab? Um sich einer Antwort anzunähern, müssen folgende vier Aspekte berücksichtig werden.


 


Fallstricke bei der Bestimmung altersspezifischer Innovationsleistungen


Zunächst muss gewährleistet sein, dass alle Beiträge zu einer Erfindung – direkte wie indirekte – berücksichtigt werden. Beispielsweise können ältere Arbeitskräfte durch die Übernahme von Leitungsaufgaben oder die Weitergabe ihrer Kenntnisse und Erfahrungen die Innovationsprozesse jüngerer Arbeitgeber verstärken. Damit könnten sie einen bedeutenden Beitrag zu dem Erfindungsprozess geleistet haben, selbst wenn sie nicht namentlich in Patentanmeldungen erwähnt werden. Dieser Fallstrick lässt sich umgehen, indem man die Gesamtbeiträge jüngerer und älterer Altersgruppen von Beschäftigten in Beziehung zu der Gesamtinnovationsleistung von Regionen oder Unternehmen setzt, statt sich auf die individuelle altersspezifische Innovationsleistung zu konzentrieren.


Trotzdem besteht immer noch die Gefahr, dass das Alter und die altersbezogenen Triebkräfte der Innovationsleistung verwechselt werden, – zumeist zum Nachteil älterer Arbeitnehmer. So haben ältere Unternehmen tendenziell eine ältere Belegschaft und möglicherweise zugleich veraltete Produktionsanlagen und sind weniger innovativ als erst kürzlich gegründete Unternehmen. Da sich nicht herausfinden lässt, ob die älteren Arbeitnehmer genauso innovativ wären wie ihre jüngeren Pendants, wenn sie in einem „jüngeren“ Unternehmen arbeiten würden, wäre es irreführend, die geringere Innovationsleistung des Unternehmens ausschließlich dem Alter der Belegschaft zuzuschreiben.


Darüber hinaus begegnet man bei der Untersuchung der Altersabhängigkeit von Innovationsleistungen auf Unternehmensebene stets einem typischen Henne-Ei-Problem: In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs könnten jüngere Arbeitskräfte und Arbeitskräfte im Haupterwerbsalter mit immer noch recht aktuellen Sachkenntnissen und fundierter Einsatzerfahrung als Erste attraktive Beschäftigungsalternativen außerhalb des Unternehmens ergreifen, während ältere Arbeitnehmer bleiben. Sinkt gleichzeitig die Innovationsleistung, bleibt unklar, ob ältere Arbeitskräfte weniger innovativ sind, oder die Abnahme dadurch verursacht wird, dass sich das Unternehmen einem gesamtwirtschaftlichen Abwärtstrend gegenüber sieht.


Zuletzt ist es schwierig, die Auswirkungen des Alters der Beschäftigten von sogenannten Kohorteneffekten zu trennen, die von den unterschiedlichen Erfahrungen hinsichtlich Ausbildung, Arbeitsauffassungen und Erwerbsbiografien herrühren, die verschiedene Generationen („Kohorten“) von Beschäftigten während ihres Lebensverlaufs gemacht haben. Da viele dieser kohortenspezifischen Erfahrungen in den letzten Jahren massiven Veränderungen unterworfen waren, ist die ältere Belegschaft von morgen möglicherweise wesentlich kompetenter als ihre altersmäßigen Pendants von heute.


 


Noch immer Mangelware: zuverlässige Erkenntnisse zu Belegschaftsalter und Innovation


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zuverlässige Erkenntnisse zu Belegschaftsalter und Innovation noch immer Mangelware sind. Insbesondere ältere Arbeitnehmer könnten im Bereich Innovation wesentlich besser abschneiden als auf den ersten Blick ersichtlich, weil die oben erläuterten konzeptionellen und methodischen Fallstricke zu einer systematischen Unterbewertung ihrer Innovationsfähigkeit führen. Somit sollte es durchaus möglich sein, das Innovationsrad mithilfe einer älteren Belegschaft in Schwung zu halten, und ältere Arbeitnehmer „zum alten Eisen zu legen“, hieße, wertvolle Ressourcen zu verschwenden.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Frosch, Katharina (2012): Scrapheap or Indian Summer: How innovative are our economies in times of aging workforces? PopDigest 18. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/scrapheap-or-indian-summer. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.