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Besser spät als nie

Der Zusammenhang zwischen aufgeschobener Mutterschaft und der Geburt des zweiten Kindes

Rückläufige Geburtenraten werden in Industriestaaten schon seit einiger Zeit stark diskutiert. Obwohl nicht alle europäischen Staaten Geburtenraten unterhalb der Reproduktionsrate aufweisen, scheint es eine Tendenz zur späten Mutterschaft zu geben. Aufgrund dieses Trends, die Mutterschaft aufzuschieben, bekommt ein bedeutender Prozentsatz der Frauen in ganz Europa nur ein Kind oder bleibt sogar kinderlos.
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Besser spät als nie
Copyright: ana malin

Rückläufige Geburtenraten werden in Industriestaaten schon seit einiger Zeit stark diskutiert. Obwohl nicht alle europäischen Staaten Geburtenraten unterhalb der Reproduktionsrate aufweisen, scheint es eine Tendenz zur späten Mutterschaft zu geben. Aufgrund dieses Trends, die Mutterschaft aufzuschieben, bekommt ein bedeutender Prozentsatz der Frauen in ganz Europa nur ein Kind oder bleibt sogar kinderlos. Massimiliano Bratti und Konstantinos Tatsiramos untersuchen die Auswirkungen der aufgeschobenen Mutterschaft in europäischen Staaten und stellen eine Verbindung zwischen dem Trend zur späten Mutterschaft und der Möglichkeit, ein zweites Kind zu bekommen, her.

Die Folgen, die das Aufschieben der ersten Geburt hat, variieren in den verschiedenen Staaten und sind abhängig von seinen institutionellen und soziokulturellen Merkmalen. In ihrer Studie konzentrierten sich Bratti und Tatsiramos auf zehn europäische Staaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königkreich. Ihre Untersuchung bezog sich auf gut vergleichbare Einzeldaten aus dem europäischen Haushaltspanel.

 

Folgen des Aufschiebens

In Bezug auf augeschobene Mutterschaften lassen sich zwei Hauptwege verfolgen – der biologische und der soziokulturelle Effekt. Biologische Konsequenzen scheinen am naheliegendsten: Fruchtbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Teilweise lässt sich diese Entwicklung mit modernen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verlangsamen. Doch diese Technologie steht nicht überall in Europa im selben Umfang zur Verfügung – so bestehen beispielsweise in Deutschland strenge Vorschriften, während in Griechenland ein Laissez-faire-Ansatz verfolgt wird. Der Effekt der Biologie könnte damit in unterschiedlichen Staaten unterschiedliche Auswirkungen haben.

Gleichzeitig nimmt die Biologie Einfluss auf den soziokulturellen Effekt. Oft gibt es ein Höchstalter, dass für eine Mutterschaft als allgemein akzeptabel gilt. Je nach den Normen und Umfeld des jeweiligen Staates, unterscheiden sich diese moralischen Maßstäbe. Soziokulturelle Normen scheinen eine wichtigere Rolle zu spielen als biologische Gründe. Der Zugang zu Reproduktionstechnologien könnte damit eine untergeordnete Rolle spielen.

Es ist daher davon auszugehen, dass sowohl der biologische als auch der soziokulturelle Effekt Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines zweiten Kindes nimmt vor allem wenn Frauen die Geburt ihres ersten Kindes aufschieben.

 

Der Karriereeffekt

Für berufstätige Frauen gibt es einen dritten Ansatz, der die Aufschiebung der Mutterschaft erklärt. Bei diesem Effekt wird angenommen, dass berufstätigen Frauen erst dann Kinder bekommen, wenn sie die gewünschte Position in ihrer jeweiligen Laufbahn erreicht haben oder wenn sie ausreichend berufliche Erfahrung gesammelt haben. Weitere Faktoren, die durch die Karriere motiviert sein könnten, umfasst nicht nur den Wunsch nach einem ausreichenden Einkommen, um ein Kind zu finanzieren –  es soll auch ausreichend Erspartes zur Verfügung stehen, um eine Zeit der Arbeitslosigkeit vor der Familiengründung zu überbrücken.

Im Gegensatz zu den Erklärungsversuchen durch biologische und soziokultureller Faktoren, kann der Karriereeffekt einen „Aufholeffekt“ hervorrufen. Das bedeutet, dass es eine positive Auswirkung auf die Gesamtzahl an Kindern gibt.

 

Erfolgreiche Frauen holen auf

Wenn Frauen mit geringeren Karriereambitionen die Geburt ihres ersten Kindes aufschieben, ist es im Allgemeinen weniger wahrscheinlicher, dass sie ein zweites Kind bekommen. Der „Aufschiebungseffekt“ tritt vorwiegend wegen biologischer und soziokultureller Faktoren auf.

Interessanterweise stellt sich die Situation für karriere-orientierte Frauen anders dar. Der „Aufholeffekt“ wird ihnen zugeschrieben, weil sie mit größerer Wahrscheinlichkeit erst später im Leben ein zweites Kind bekommen. Karrierorientierten Frauen, die aufgrund ihrer Arbeit ihr erstes Kind aufschieben, erhalten für gewöhnlich ein höheres Einkommen und mehr Berufserfahrung. Es ist für sie damit wahrscheinlicher ein zweites Kind zu bekommen und diese Wahrscheinlichkeit steigt weiterhin mit dem beruflichen Erfolg einer Frau. Umso höher das Einkommen und die berufliche Position ist, desto mehr gleicht der positive Karriereeffekt negative Einflüsse biologischer oder soziokultureller Art aus.

Diese Einwirkungen fallen je nach institutionellen Gegebenheiten des jeweiligen Staates unterschiedliche stark aus. Der „Aufholeffekt“ ist vor allem in Saaten mit traditionellen Rollenverständnissen kleiner. In Gesellschaften, in denen das „Mann-als-Ernährer-Modell“ noch dominiert, tritt der „Aufholeffekt“ mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf. Demgegenüber ist ein positiver „Aufholeffekt“ in jenen Staaten stärker, die es Frauen leichter machen, sich am Arbeitsmarkt zu beteiligen. Familienfreundliche Lösungen für Mutterschaftsurlaub und Kinderbetreuung haben einen positiven und signifikanten Effekt. In Staaten, in denen staatlich geförderte Kinderbetreuungsmöglichkeiten verfügbar sind, und in Gesellschaften, in denen Teilzeitmodelle akzeptiert sind, bekommen Frauen, die ihre erste Geburt aufschieben, tendenziell später ein zweites Kind.

Tabelle 1 zeigt einen hohen Anteil an Kinderbetreuungsplätzen und Verfügbarkeit von Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten in Dänemark und Frankreich. In südeuropäischen Staaten (wie Italien, Griechenland, Portugal und Spanien) ist dagegen der Zugang zu Kinderbetreuung eingeschränkt ist, und auch Teilzeitbeschäftigung gibt es nur in geringem Umfang.

 

Tabelle 1: Institutionelle Details und Auswertungsstatistiken

 

Das Nord-Süd-Gefälle

Die Forscher zeigen, dass der „Aufschiebungseffekt“ in Irland und den südeuropäischen Staaten extrem groß ist. Andererseits ist in Staaten wie Dänemark, Deutschland und Frankreich der „Aufholeffekt“ für berufstätige Frauen größer als die negativen Auswirkungen der Biologie und  soziokultureller Faktoren. Der Nettoeffekt ist sogar positiv. Negativ ist er jedoch in Staaten wie Griechenland und Portugal, in denen wo der positive Karriereeffekt relativ klein ist und insgesamt weniger Kinder geboren werden.

Tabelle 1 gibt auch das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt an. Unter allen Frauen über 35 Jahren weisen diejenigen aus Griechenland und Portugal das niedrigste Durchschnittsalter bei der Geburt des ersten Kindes auf. Die Autoren führen das auf eine striktere Ablehnung sehr später Mutterschaft in den südeuropäischen Staaten zurück.

Dieses Nord-Süd-Gefälle scheint mit familienfreundlicher Politik in Zusammenhang zu stehen. Es ist Ausdruck der Unterschiede zwischen Staaten, in welchen es eine traditionelle Sicht auf die Rolle der Frau gibt [ – oder eben nicht]. Je familienfreundlicher und liberaler ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist es offenbar, dass der „Aufholeffekt“ dazu beiträgt, einige Folgen des Trends zu späteren Mutterschaften auszugleichen. Die europäischen Gesellschaften müssen lernen, wie mit diesem unaufhaltbaren Trend am besten umzugehen ist. Hierfür könnte es hilfreich sein, einen Blick auf die europäischen Nachbarn zu werfen.

 

 

Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Robles, Isabel (2012): Better Late Than Never: The connection between postponed motherhood and second childbirth. PopDigest 26. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/better-late-never. (Date of Access)

This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.