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Wer möchte länger arbeiten?

Es führt kein Weg zurück: Die Generation der deutschen Babyboomer erreicht demnächst das Rentenalter. Aller Voraussicht nach wird diese Entwicklung ihren Höhepunkt zwischen 2020 und 2030 erreichen. Falls die Babyboom-Generation frühzeitig in den Ruhestand geht, verursacht dies immense finanzielle Lasten für die Generation der jüngeren Erwerbstätigen. Doch eine Ausweitung der Erwerbsphase über das Alter von 65 Jahren hinaus wurde in der Öffentlichkeit kaum diskutiert.
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Wer möchte länger arbeiten?
Copyright: fontriel 

Es führt kein Weg zurück: Die Generation der deutschen Babyboomer erreicht demnächst das Rentenalter. Aller Voraussicht nach wird diese Entwicklung ihren Höhepunkt zwischen 2020 und 2030 erreichen. Falls die Babyboom-Generation frühzeitig in den Ruhestand geht, verursacht dies immense finanzielle Lasten für die Generation der jüngeren Erwerbstätigen. Doch eine Ausweitung der Erwerbsphase über das Alter von 65 Jahren hinaus wurde in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Die Wissenschaftler Frank Micheel, Juliane Roloff und Ines Wickenheiser haben untersucht, inwiefern der sozioökonomische Status die Bereitschaft beeinflusst, sich länger am Erwerbsleben zu beteiligen.


 


Eine Änderung der Einstellungen gegenüber dem Ruhestand


Lange Zeit gab es in Deutschland einen Trend zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand. Die vorherrschende Meinung war: Ältere Menschen arbeiten nicht so effizient und sollten eher Platz für junge, motivierte Arbeitnehmer machen. Doch ältere Menschen heutzutage sind gesünder, haben bessere Lebensumstände und genießen eine größere finanzielle Sicherheit als in der Vergangenheit.


Ob aber diese „jungen Alten“ auch über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten wollen, ist eine andere Frage. Welche Kriterien sind für die Bereitschaft zu einer längeren Erwerbstätigkeit ausschlaggebend? Ist der sozioökonomische Status ein bestimmender Faktor? Um diese Fragen zu beantworten, wurden im Rahmen des sogenannten „Weiterbeschäftigungssurvey“ (Weiterbeschäftigung im Ruhestandsalter) 1.500 abhängig Beschäftigte im Alter von 55 bis 65 Jahren befragt. Der sozioökonomischen Status wurde anhand der beruflichen Stellung, d. h. der Position im jeweiligen Unternehmen, und des monatlichen Haushaltseinkommens bestimmt.


 


Bereitschaft zu längerer Erwerbstätigkeit


Autonomie, gute Beziehungen am Arbeitsplatz, ein attraktives Arbeitsumfeld und flexible Arbeitszeiten scheinen die wesentlichen Faktoren zu sein, sich für eine längere Erwerbtsätigkeit zu entscheiden: Mehrheitlich bevorzugen die befragten Personen vor allem flexible Arbeitszeiten bevorzugen. Sie möchten selbst entscheiden, wann sie arbeiten, und sie möchten dies nicht jeden Tag tun. Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Arbeitszeiten der Befragungsteilnehmer. Es lässt sich ein Trend beobachten: Mit sinkender Wochenarbeitszeit steigt der Anteil derjenigen, die weiter erwerbstätig sein möchten. Im Schnitt waren die Befragten bereit, nach dem Renteineintritt 4,1 Jahre für etwa 15,1 Stunden pro Woche weiter zu arbeiten.


Für einen 55jährigen erscheint es möglicherweise noch unvorstellbar, weitere zehn Jahre zu arbeiten. Steht dann aber mit 65 der Ruhestand vor der Tür, möchten viele nicht von einem auf den anderen Tag aufhören. Das Ergebnis der Befragung bestätigte dies. Je älter die Befragten sind, desto mehr steigt die Bereitschaft, weiter arbeiten zu gehen.


 


Unternehmensbezogene Faktoren


Tendenziell ist bei Angestellten kleinerer Unternehmen die Bereitschaft zu einer längeren Erwerbstätigkeit größer. Menschen mit einer Beschäftigungszeit unter zehn Jahren sind eher bereit zu bleiben, als Menschen, die mehr als zehn Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren.


Doch der Einfluss der Arbeitsbedingungen ist geringer als man erwarten würde. Eigentlich erscheint plausibel, dass Menschen, die körperlich und geistig anstrengenden Beschäftigungen nachgegangen sind, damit nicht länger fortfahren möchten als sie müssen. Aber sogar Menschen, die unter schlechten Bedingungen gearbeitet haben, sind nicht weniger gewillt, länger zu arbeiten, als Menschen mit sehr guten Arbeitsbedingungen. Interessanterweise bestanden nur geringe Unterschiede, die statistisch nicht signifikant waren. Teilweise lässt sich dieses Ergebnis durch den sogenannten „Healthy-Worker-Effekt“ erklären. Ihm zufolge weisen Berufstätige, um ihrer Arbeit nachgehen zu können, einen besseren Gesundheitszustand auf als die Gesamtbevölkerung oder Nicht-Berufstätige.


Was frühere Arbeitslosigkeit anbelangt, so sind Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren, mehr an einer verlängerten Erwerbstätigkeit interessiert.


 



Abbildung 1: Vorhabens das Arbeitsverhältnis im Rentenalter weiterzuführen, nach beruflicher Stellung Quelle: ungewichtete


 


Status und Einkommen – weniger wichtig als erwartet


Weitere Faktoren, die sich theoretisch auf eine Entscheidung für ein längeres Erwerbsleben auswirken können, sind die Position in der Unternehmenshierarchie (höhere Positionen erhöhren die Bereitschaft länger zu arbeiten) und verfügbares Haushaltseinkommen (mit steigendem verfügbarem Haushaltseinkommen sinkt die Bereitschaft länger zu arbeiten).


Da Männer Autonomie bei der Arbeit höher bewerten als Frauen, könnte man darüber hinaus davon ausgehen, dass die Stellung innerhalb des Unternehmens ein wichtigerer Faktor für Männer als für Frauen darstellt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen jedoch das Gegenteil. Der Prozentsatz von Frauen mit hohem beruflichen Status, die nach Erreichen der Altersgrenze erwerbstätig bleiben wollen, ist wesentlich größer als jener von Frauen, die einen niedrigen oder mittleren beruflichen Status haben. Demgegenüber gab es bei Männern keine entsprechenden Unterschiede über die verschiedenen Berufe hinweg. Der beruflichen Status scheint somit für Frauen eine größere Rolle zu spielen. Tatsächlich stellen die Autoren fest, dass sozioökonomische Unterschiede nur bei Frauen signifikant sind. Folglich kommt es bei dem Beschäftigungsverhalten von Ruheständlern auf das Geschlecht an.


In Bezug auf das Haushaltseinkommen ist der Wunsch, die Erwerbstätigkeit fortzusetzen, tatsächlich umso größer, je geringer das monatliche Nettohaushaltseinkommen der Person ist. Die Ergebnisse lassen insbesondere auf einen ökonomischen Anreiz zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im Rentenalter schließen.


 



Abbildung 2: Vorhaben ein Arbeitsverhältnis im Rentenalter weiterzuführen, nach Haushaltsnettoeinkommen


 


Rahmenbedingungen erkennen und nutzen


Zukünftige ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei zu unterstützen und sie dafür zu gewinnen, länger erwerbstätig zu bleiben, ist ein wichtiges Ziel politischer Entscheidungsträger. Micheel, Roloff und Wickenheiser zeigen ein paar Rahmenbedingungen auf, die die bestimmenden Faktoren für die Entscheidung zur Fortführung der Erwerbstätigkeit widerspiegeln. Für die Mehrheit sind wichtige Aspekte eine größere Autonomie in der Ausübung der Arbeit,   flexible Arbeitszeiten sowie eine freie Wahl des Arbeitsplatzes.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Robles, Isabel (2012): Who Wants To Work Longer? New insights on the willingness to stay in the workforce after retirement age. PopDigest 29. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/who-wants-work-longer. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.